Die Züricher Nagaausstellung in einer durch das Museum für Völkerkunde Wien und dessen Kurator Dr. Christian Schicklgruber angepassten Ausführung.
Die Ausstellung war geöffnet vom 1. Februar bis 11. Juni 2012 im Museum für Völkerkunde, Wien.
Pressetext
Naga – Schmuck und Asche
Die Naga lebten die längste Zeit von ihren Nachbarn als notorische Kopfjäger gefürchtet und gemieden im hügeligen Bergland Nordost-Indiens. Sie erzählten über ihr Leben und ihre Welt nicht mit Tinte auf Papier, sondern in einem kodierten System von Textilmustern, Schmuckdesigns oder Holzschnitzereien – nur für sie selbst verstehbar. Dinge von beeindruckender Ästhetik, der SCHMUCK, berichteten als Webmuster in Körpertüchern über die erstrebenswerten Eigenschaften von Frauen und Männern, Ornamente über deren Stellung in der Gesellschaft, Figuren aus Holz ließen Verstorbene im Andenken weiterleben oder erzählten über getötete Feinde. Lieder und Mythen schließlich erzählten Geschichten, welche das Repertoire von dinglichen Formen überstiegen.
Dann kamen die anderen: zuerst die britischen Kolonialherren, gefolgt von amerikanischen Missionaren und schließlich indische Soldaten, die bis heute das Streben nach einem eigenen Staat der Naga unterdrücken. Mit diesen drei Flutwellen von jenseits der eigenen Grenzen wurde alles anders. Das alte dingliche Vokabular geriet in Vergessenheit, der Schmuck zerfiel zu ASCHE. Nur mehr wenige Alte können die Zeichen der Vorväter lesen. Sie sind es heute, die der Asche des verbrannten Schmuckes wieder Atem einhauchen und sie zum Glühen bringt – ein Aufglimmen, das der jungen Generation ein Gefühl für ihre eigenständige Identität vermitteln soll.
Darüber erzählt diese Ausstellung. In der alten Zeit gesammelte Dinge werden für die Besucher zum Sprechen gebracht, jungst erworbene zeigen Wandel und Rückbesinnung. Auch Naga selbst erzählen über sich, sei es in Erklärungen direkt an den Besucher adressiert, oder sie singen Lieder, in denen Exponate eine Rolle spielen.
Quelle: Website des Museums für Völkerkunde, KHM, Wien
Rahmenprogramm (Auswahl)
Wolfgang Böck liest Geschichten der Naga
Reise zu den Naga – ein persönlicher Bericht
Vortrag von John Marshall und Christian Schicklgruber (auf Deutsch)
18.30 Uhr, Mittwoch, 07. März 2012, Museum für Völkerkunde
Seit 1. Februar bis 11. Juni 2012 zeigt das Museum für Völkerkunde die große Sonderausstellung „Naga, Schmuck und Asche“. Zur Vorbereitung dieser Ausstellung reisten John Marshall und Christian Schicklgruber letzten April nach Naga-Land in Nordost-Indien, um einerseits Objekte zu erwerben und andererseits Informationen zu den Objekten aus der Sammlung des Museums zu gewinnen. Anhand von Lichtbildern zeigen die beiden nicht nur Landschaften und berichten über ihr Zusammentreffen mit der dörflichen Bevölkerung, sondern bieten auch ganz persönliche Einblicke in ihre Reise, wie sie geschlafen, was sie gegessen und welch wertvolle Freundschaften sie mit den Naga geschlossen haben. In Zusammenarbeit mit dem Verein Freunde der Völkerkunde.
Die Naga in der Photographie der 1930er Jahre
Eine Ethnographie in Bildern
Vortrag von Alban von Stockhausen, Ethnologe und Fotograf, Wien
18.30 Uhr, Donnerstag, 15. März 2012, Museum für Völkerkunde
Alban von Stockhausen, Ethnologe und Fotograf, berichtet über die Fotographien der Ethnologen Hans-Eberhard Kauffmann und Christoph von Fürer-Haimendorf.
Naga Textilien
Vom Dorfplatz auf den Laufsteg
Vortrag von Marion Wettstein, Ethnologin, Wien
18.30 Uhr, Donnerstag, 22. März 2012, Museum für Völkerkunde
Marion Wettstein, Ethnologin, spricht über Tradition und Wandel in Mustergebung und Interpretation der Naga Textilien.
Have You Accepted Religion or Are You a Rice Beer Drinker?
Christianity and Modernization of Naga Tribes in Colonial India
18.30 Uhr, Mittwoch, 25. April 2012, Museum für Völkerkunde
Vortrag von Father Abraham Lotha, Nagaland (in englischer Sprache)
Nagaland prides itself as a Christian state in India. What accounts for the success of Christianity in Nagaland in a predominantly Hindu India? In the late 19th and early 20th centuries, Christian missionaries and the British colonial government developed a collaborative relationship in the project for modernity in colonial India. Conversion to modernity was the locus where colonial control and salvation of souls converged. Some of the best examples of this collaboration between the colonial government and the missionaries in the project for modernity in India were seen in their encounters with the tribals. In this talk, I will use the Naga people in Northeast India as an example to illustrate the collaboration between the missionaries and the colonial government in the common project for conversion to modernity. In the early part of their encounter with the Nagas, the colonial military officers asked the help of the missionaries to ‘civilize’ the Nagas; later on, the colonial administrator-anthropologists accused the missionaries of destroying Naga culture. Even so they reinforced each other’s objectives.
Die Naga singen sich selbst
Manifestation menschlicher Gefühle, Sinnbilder und Eigenschaften
Vortrag von Thomas Kaiser, Musikethnologe, Zürich
18.30 Uhr, Donnerstag, 10. Mai 2012, Museum für Völkerkunde
Wenn der Satz irgendwo auf der Welt Gültigkeit besitzt: Das Leben der Naga war Musik. Gesang. Das Dorf erwachte zu den Klängen eines wortlosen Gesangs, der von Haus zu Haus weiter getragen wurde, und schlief ein zu den Liebesliedern der unverheirateten Jungen und Mädchen, die sich nachts gegenseitig in ihren Schlafhäusern besuchten. „Wir redeten nicht so viel“ erzählen noch heute alte Naga: „wir sangen“. Freund- und Liebschaften wurden singend geschlossen, Gegner singend verspottet, Siege singend gefeiert, Verluste singend betrauert, Geschichten singend erzählt und Wissen singend tradiert – und jedes einzelne dieser Lieder repräsentiert eine Facette vom Denken, Wissen und Fühlen der Naga selbst und zeugt von ihrer eigenen Wahrheit, nicht der des Ethnographen. Seit 2004 dokumentiert Thomas Kaiser die Liedtraditionen der Naga; seine Sammlung von inzwischen rund zweieinhalb Tausend Tonaufnahmen befindet sich im Ethnologischen Tonarchiv des Völkerkundemuseums der Universität Zürich. Anhand von Tonaufnahmen und Liedtexten wird Kaiser über die Musiktraditionen der Naga sprechen.
Die Einbaumtrommel der Naga
Vortrag von Michael Oppitz, Ethnologe, Berlin
18.30 Uhr, Montag, 04. Juni 2012, Museum für Völkerkunde
Eine große Anzahl von Nagastämmen Hinterindiens eint – trotz der markanten lokalen Unterschiede – die Tatsache, dass sie sich in ihrer herkömmlichen kulturellen Praxis eines auffälligen Musik-Instrumentes bedienen: der Einbaumtrommel. Diesen Gegenstand näher zu betrachten, ist Thema des Vortrags. Darin werden die verschiedenen morphologischen Varianten dieses spezifischen Trommeltyps vorgestellt, seine Bauweise und Ornamentik ebenso wie seine aktuellen und mythologischen Funktionen. Ein Blick auf Nachbarkulturen der Naga wird zeigen, wo die Einbaumtrommel durch andere Schlaginstrumente ersetzt und wo sie ebenfalls Teil des instrumentalen Repertoires ist.
Tigermenschen in Nagaland
Vortrag von Rebekka Sutter, Zürich
18.30 Uhr, Mittwoch, 06. Juni 2012, Museum für Völkerkunde
Für die Naga ist der Tiger nicht nur eine Tier-Spezies. Das ambigue Verhältnis zwischen Mensch und Tiger wurzelt in einem Ursprungsmythos und ist bis heute – trotz der radikalen Christianisierung – in der Kosmologie der Naga sehr präsent. Der Vortrag berichtet von Begegnungen mit sogenannten Tigermenschen: Von Männern und Frauen, deren Seele sich zeitweise in einem Tigerkörper aufhält. Beim Phänomen der Tigerwandlung handelt es sich nicht um eine physische Verwandlung, sondern um eine seelische Verbindung zwischen Mensch und Tier. Die Tigermenschen bewegen sich in zwei parallelen Welten: In der realen Dorfgemeinschaft als gewöhnliche Feldbauern und als Tiger in der spirituellen Welt. Im Tigerkörper sind sie nicht nur listige Artgenossen, sondern auch anerkannte Heiler der Naga-Lokalgesellschaften.
Rebekka Sutter schließt dieses Jahr mit einer Magisterarbeit über die Naga-Tigermenschen ihr Ethnologie-Studium an der Universität Zürich ab.
Quelle: Website des Museums für Völkerkunde, KHM, Wien